Starbull -Die Partnervermittlung im Kuhstall



Helmut Göß hat ein Anpaarungs- und Zuchtanalyseprogramm für Rinder entwickelt

Milchviehhalter, die ihren Bestand züchterisch weiterentwickeln wollen, stehen täglich
vor der schwierigen Frage: Zu welcher Kuh passt welcher Bulle am besten?
Helmut Göß befragt dazu neuerdings seinen Computer. Der Landwirt hat ein EDV-Programm
entwickelt, in dem sowohl der Kuhbestand als auch die zugelassenen Besamungsbullen
erfasst sind. Er selbst muss nur noch das Zuchtziel vorgeben, der Computer sucht nach
der optimalen Paarung.

Helmut Göß bewirtschaftet in 91611 Berndorf (Mittelfranken) einen Milchviehbetrieb mit 90
Kühen. Er hat den elterlichen Betrieb vor sechzehn Jahren mit 20 Fleckviehkühen übernommen

und seither systematisch ausgebaut. Der Fleckviehanteil wurde schrittweise abgebaut und
durch schwarzbunte Holstein-Kühe ersetzt. Die Herdenleistung stieg Zug um Zug auf heute
9000 Liter pro Kuh und Jahr.

Besonders am Herzen liegt Helmut Göß die züchterische Verbesserung seiner Schwarzbunt
-Herde. "Die Auswahl der Besamungsbullen ist derzeit jedoch ein reines Lottospiel", klagt der
37-Jährige, "es ist unmöglich, die Daten jeder Kuh im Kopf zu haben". Allein beim Exterieur
liegen 17 Merkmale pro Tier vor, von der Körpertiefe bis zur Vordereuteraufhängung.
Tausende Bullen mit unzähligen Daten stehen als Partner bereit. Welchen soll man nehmen?

Die Zucht ins Blaue hinein wollte Göß ein für allemal beenden. Vor fünf Jahren setzte er sich
an seinen Computer und begann mit der Entwicklung eines EDV-Programms für die gezielte
Anpaarung. "Wenn ich gewusst hätte, was auf mich zukommt, hätte ich freilich nie damit
angefangen", sagt er heute im Rückblick. Mehrmals war der Vater von drei Kindern kurz
davor, alles hinzuwerfen.

Aber er hat durchgehalten. Nach ungezählten Stunden Arbeit hat Göß eine Anwendung
geschaffen, die wahrscheinlich weltweit einmalig ist: ein dynamisches Anpaarungs- und
Zuchtanalyseprogramm, das von ihm auf den Namen "Starbull" getauft wurde. Zwar gibt es
ähnliche Systeme vereinzelt bei Zuchtorganisationen, die ihre EDV-Programme aber vorzugsweise
mit den eigenen Bullen bestücken. Das Programm von Helmut Göß arbeitet dagegen völlig
unabhängig. Der Clou: In Starbull stehen alle 27000 Holstein-Bullen, die in Deutschland zur
Besamung zugelassen sind, für die Anpaarung und Zuchtbewertung zur Verfügung.

Göß hat Starbull mit dem Tabellenkalkulationsprogramm Excel entwickelt. Es schien anfangs
unmöglich zu sein, die Daten von 27000 Bullen mit diesem Standardprogramm zu
verarbeiten. Doch Göß hat sich tief in komplizierte Programmiertechniken eingearbeitet und
immer wieder eine Lösung für neu auftretende Probleme gefunden. Allein das ganze letzte
Jahr hat er damit verbracht, eine grafische Benutzeroberfläche zu programmieren: mit Menüführung,
Registerkarten und Hilfetexten. Dass Starbull auf Excel basiert, ist für den Anwender jetzt
kaum mehr zu erkennen.

Für den Test im Rahmen der EDV-Ideenbörse hat Göß sein Programm auf einer CD-ROM
geliefert. Nach dem Einlegen der CD ins Laufwerk installiert sich das Programm automatisch
auf dem PC und legt auf dem Startbildschirm ein "Bildchen" ab, vom dem aus das Programm
gestartet werden kann. Nach dem Öffnen muss man zunächst seinen eigenen Betrieb anlegen
und die Milchkühe erfassen. Die Daten Kuh für Kuh einzutippen, bleibt einem aber erspart.
Einfacher geht es , wenn man beim LKV eine Datei (Adis-Datensatz) mit den Stammdaten
und Ergebnissen der Milchleistungskontrolle anfordert. Starbull ist in der Lage, die Adis-
Datensätze aller Landeskontrollverbände in Deutschland einzulesen. Wenn die Kuhdaten
eingelesen sind, ist das Wichtigste schon erledigt. Ganz ohne eigenes Zutun geht es aber dann
doch nicht. Bei der Bewertung des Exterieurs muss der Rinderzüchter selbst ran.

So bequem wie bei den Kühen lassen sich auch die Bullendaten ins Programm einfügen.
Dreimal im Jahr werden von den Verbänden die Bullenzuchtwerte neu errechnet.
Im Informationssystem für Tiere (VIT) im niedersächsischen Verden laufen alle diese Daten
zusammen. Von dort erhält auch Helmut Göß die Bullendaten, muss dafür jedoch bezahlen.
Sobald die neuesten Zuchtwerte aus Verden vorliegen, werden sie von Helmut Göß formatiert
und auf eine CD gebrannt. Andere Landwirte, die das Programm nutzen möchten, brauchen
dann nur die Bullen-CD in Starbull einlesen.

Bei der Anpaarung macht es natürlich keinen Sinn, mit 27000 Bullen zu rechnen. Die Praxis
erfordert zwangsläufig eine Beschränkung auf eine bestimmte Auswahl. Der Züchter hat zum
einen die Möglichkeit, aus der Datenbank gezielt Bullen auszuwählen, etwa durch Eingabe
der Bullen-Nummer oder des Namens. Nur die vom Landwirt ausgewählten Bullen werden
dann in die Anpaarung einbezogen.

Sind die Bullen- und Kuhdaten im Programm, geht es an die Feinabstimmung. Jetzt ist der
Züchter gefragt. Unter dem Menüpunkt "Anpaarung" muss ein Zuchtziel für den Betrieb
vorgegeben werden. Hier legt der Landwirt fest, welche Merkmale für ihn besonders wichtig
oder weniger wichtig sind. Die Einstufung erfolgt mit Noten von 1 bis 9, von der Milchmenge
bis zur Beckenneigung. Da das Zuchtziel eine Idealvorstellung ist, muss man für jedes
Merkmal auch angeben, wie weit es vom angestrebten Wert abweichen darf (Gewichtung).

Liegen Daten von den Vorfahren einer Kuh vor, ist auch eine Aufteilung der Linien möglich.
Man hat damit die Möglichkeit, entweder mehr an die Kuh (Genotyp) oder mehr an den
Bullen (Phänotyp) anzupaaren. Beispiel: Sind Werte für die Kuh und den Kuhvater
vorhanden, dann können diese 50 : 50 (oder jedes andere beliebige Verhältnis) zu einer
Linienpaarung zusammengefasst werden.

Hat der Milchviehhalter seine züchterischen Einstellungen vorgenommen, bietet das Programm
eine Fülle von Auswertungen.

1.     Man kann zum Beispiel am Bildschirm Einzelpaarungen durchspielen. In dieser
        Übersicht wird nachvollziehbar, warum eine Kuh mit einem Bullen angepaart wurde
        und wie weit die einzelnen Merkmale vom Zuchtziel abweichen.
2.     Einzelpaarungen sind aber auch als Diagramm darstellbar. Hier ist jede Kuh mit jedem
        aktuellen Besamungsbullen kombinierbar. Man bekommt dabei sozusagen das
        "Linearprofil" des Kalbes. Das Diagramm zeigt, wie weit jedes Merkmal vom
        Zuchtziel abweicht.
3.     Eine andere Möglichkeit ist die Erstellung einer Anpaarungsliste für den gesamten
        Kuhbestand. Für jede Kuh werden hier die fünf passendsten Bullen aufgelistet. Diese
        Liste kann man sich ausdrucken und im Stall aufhängen. Bei der Samenbestellung
        genügt ein Blick auf diese Liste.

Ein Programm wie Starbull macht man natürlich nicht nur für sich alleine. Helmut Göß will,
dass alle Milchviehhalter davon profitieren. Seine Vision: "Starbull soll als erstes
Anpaarungsprogramm auf dem freien Markt auch für Landwirte erhältlich sein". Der
Milchviehhalter bekomme damit ein Werkzeug in die Hand, das völlig frei ist von äußeren
Einflüssen; der Landwirt selbst bestimme das Zuchtziel und habe die Auswahl aus der
Gesamtheit des Zuchtmaterials.

Helmut Göß plant, das Programm inklusive Schulung zum Verkauf anzubieten. "Ich bin vom
Erfolg dieses Programms überzeugt, da es weltweit nichts Vergleichbares gibt, weder für
Landwirte, noch für Firmen und Berater. Erste Anfragen gibt es schon. Göß: "Die US-
amerikanische Ex- und Importfirma WWS (World-Wide-Sires) testet derzeit das Programm
und hat starkes Interesse bekundet."

Der Landwirt aus Mittelfranken wird das Programm Starbull auf den Agrarcomputertagen in Oldenburg
auf seinem Stand vorführen.